Warum gibt es kaum Obdachlose in Montenegro?
Montenegro, ein kleines Land im Balkan, ist bekannt für seine atemberaubende Natur, die Adria-Küste und seine geschichtsträchtigen Städte. Doch eine der weniger bekannten Tatsachen über dieses Land ist, dass es hier kaum Obdachlosigkeit gibt.
Die Bedeutung der Familie in Montenegro
Eine der Hauptgründe, warum Obdachlosigkeit in Montenegro kaum existiert, liegt in der großen Bedeutung, die der Familie zugeschrieben wird. Montenegro besteht im Grunde aus sehr vielen großen Familien. Diese Familienstrukturen sind fest in der Gesellschaft verankert und bilden das Rückgrat des sozialen Lebens. In Montenegro ist es üblich, dass Familien sich gegenseitig unterstützen, unabhängig von den Umständen. Es ist fast undenkbar, dass ein Mitglied einer großen Familie sich selbst überlassen wird, besonders wenn es um so gravierende Probleme wie Obdachlosigkeit geht.
Diese gegenseitige Unterstützung innerhalb der Familie wird als selbstverständliche Pflicht angesehen. Es ist eine Schande für die Familie, wenn jemand von ihnen auf der Straße leben müsste. Dieses Schamgefühl geht über individuelle Sorgen hinaus und wird als Versagen der gesamten Familie betrachtet. Daher gibt es eine ungeschriebene Regel, dass die Familie einspringt und Hilfe leistet, wenn jemand in Not gerät. Es ist nicht nur eine Frage des Überlebens, sondern auch des Ansehens, des Respekts und der Ehre.
In Montenegro sind Werte wie Respekt, Ehre, familiäre Unterstützung und Anstand tief verwurzelt. Diese Werte werden von Generation zu Generation weitergegeben und bilden das Fundament der Gesellschaft. Das Ergebnis ist eine Kultur, in der jeder Verantwortung für die Gemeinschaft übernimmt, angefangen bei der eigenen Familie. Das Konzept der individuellen Unabhängigkeit, das in vielen westlichen Ländern oft im Vordergrund steht, tritt hier zugunsten eines starken Gemeinschaftsgefühls in den Hintergrund.
Die starke Spendenkultur
Ein weiterer wichtiger Faktor, der zur niedrigen Obdachlosigkeit in Montenegro beiträgt, ist die ausgeprägte Spendenkultur des Landes. In Montenegro gibt es zahlreiche Initiativen, um Menschen in Not zu helfen. Besonders bemerkenswert sind die vielen Facebook-Gruppen, in denen tausende Mitglieder organisiert sind, um zu spenden und zu unterstützen. Diese Gruppen spielen eine zentrale Rolle in der Bewältigung von Krisen, sei es bei finanziellen Schwierigkeiten, gesundheitlichen Problemen oder anderen Notlagen.
Die Diaspora – also die Montenegriner, die ins Ausland ausgewandert sind – spielt eine entscheidende Rolle bei diesen Spendenaktionen. Viele von ihnen behalten eine enge Verbindung zu ihrem Heimatland und sind bereit, von der Ferne aus zu helfen. Sie spenden regelmäßig Geld, um ihre Landsleute in Montenegro zu unterstützen. Diese Hilfe kommt oft dann zum Tragen, wenn jemand von einer schweren Krankheit betroffen ist oder andere dringende finanzielle Probleme hat.
Es ist in Montenegro fast eine Selbstverständlichkeit, dass Menschen spenden, wenn sie hören, dass jemand in Not ist. Besonders wenn es um ernste gesundheitliche Probleme wie Krebs geht, wird oft großzügig gespendet, um Betroffenen die Möglichkeit zu geben, eine Behandlung im Ausland, beispielsweise in der Türkei oder Serbien, zu finanzieren. Die Bereitschaft zu spenden ist tief in der Gesellschaft verankert, was wiederum dazu beiträgt, dass es in Montenegro kaum Menschen gibt, die ganz ohne Unterstützung dastehen.
Solidarität in den Dörfern
Neben der Unterstützung innerhalb der Familie und der organisierten Spendenkultur gibt es in Montenegro auch eine starke Solidarität in den Dörfern. In vielen ländlichen Gebieten ist die Dorfgemeinschaft wie eine erweiterte Familie, in der jeder jeden kennt und aufeinander achtet. Die Menschen in den Dörfern sind eng miteinander verbunden, und es ist selbstverständlich, dass man sich gegenseitig hilft, wenn jemand in Not gerät.
Ein Beispiel aus einem persönlichen Umfeld illustriert diese Solidarität. In einem Dorf gab es eine ältere Dame, deren Haus in einem sehr schlechten Zustand war. Sie hatte kaum noch Familie, die ihr helfen konnte, und ihr Haus war praktisch unbewohnbar. Doch die Dorfgemeinschaft ließ sie nicht im Stich. Die Dorfbewohner legten zusammen und bauten ihr ein kleines, neues Haus, in dem sie ihren Lebensabend verbringen kann. Solche Geschichten sind in Montenegro keine Seltenheit und zeigen, wie stark der Zusammenhalt in der Gesellschaft ist.
Gesellschaftliche Werte und die Rolle des Staates
Die gesellschaftlichen Werte in Montenegro sind stark auf gegenseitige Unterstützung ausgerichtet. In einer Kultur, die auf Respekt, Ehre und Anstand basiert, ist es undenkbar, dass jemand auf der Straße leben muss, ohne dass Hilfe geleistet wird. Diese Werte sind tief in der Gesellschaft verankert und sorgen dafür, dass niemand ganz allein gelassen wird.
Zwar spielt der Staat in Montenegro auch eine gewisse Rolle bei der sozialen Unterstützung, doch das soziale Netz, das Familien und Gemeinschaften spannen, ist in vielen Fällen viel stärker als staatliche Institutionen. Die Familie, die Dorfgemeinschaft und die Gesellschaft insgesamt übernehmen viele der Aufgaben, die in anderen Ländern oft vom Staat wahrgenommen werden.
Hinterlasse einen Kommentar